Über Politiker gibt es jede Menge Vorurteile: Sie gelten als faul, intrigant und streitsüchtig, realitätsfern, machtverliebt und auf Statussymbole fixiert. Sie würden viel zu viel Geld verdienen, Steuergelder verschwenden und sich selbst zu wichtig nehmen. Nun bin ich selbst Politikerin und habe nach drei Jahren einen Einblick, wie es sich mit den vielen Vorurteilen verhält. Stimmen die eigentlich?

Wie hoch die Einkünfte von Politikern sind, habe ich schon zu Beginn der Legislaturperiode veröffentlicht. Pro Monat bekommt jeder Abgeordnete mindestens 8.800 Euro. Bei mir bleiben nach Abzug aller Steuern, Spenden, Bürokosten und Parteiabgaben ca. 3.600 Euro übrig. Ist das viel Geld? Ich finde ja. Es gibt viele Paare und Familien in Sachsen-Anhalt, die diese Summe nicht mal als monatliche Netto-Gesamteinnahme haben. Ist das zu viel Geld für Politiker? Das muss jeder für sich entscheiden.

Verschwenden wir Steuergelder? Das kann vorkommen. Selten wird das bewusst gemacht und wenn, dann nicht so empfunden. Meist gibt es bestimmte Interessen, die hinter Investitionen in Vorhaben oder Projekte stehen. Nicht immer erfüllen sich die dabei gehegten Pläne. Die Entscheidungen über finanzielle Verpflichtungen trifft nie eine Person allein, sondern die Mehrheit des Parlaments.

Ja, es gibt faule, intrigante und streitsüchtige, realitätsferne und machtverliebte Politiker. Zwar selten alles gesammelt in einer Person, aber eine schlechte Eigenschaft pro Person reicht ja schon. Es gibt aber auch leise, engagierte, leidenschaftliche, fleißige, interessierte, fachkundige, uneitle und wissbegierige Politiker. Das Parlament ist ein Querschnitt der Gesellschaft, es kann aber sein, dass der Anteil selbstbewusster und von sich überzeugter Menschen im Landesparlament größer ist als im Durchschnitt der Bevölkerung. Auf dem Weg zum Landtagsmandat braucht man Souveränität. Nur wer seine Parteikollegen von sich überzeugen kann, wird überhaupt für den Landtag nominiert.

Nur wer sich durchsetzen kann, kommt in der Politik voran. Das Bild ist für den Frauenkalender der Fraktion entstanden. Foto: Karsten Stöber

Zum Thema Statussymbole und Macht: Wer etwas genauer hinschaut, sieht überall kleine und große Statussymbole, glänzende Manschettenknöpfe, dicke (Privat)Autos, teure Telefone und Laptops, exklusive Uhren, Designerklamotten. Man isst auch gern gut, nicht umsonst ist die Restaurantdichte rund um den Domplatz sehr hoch. Auch das Bahnfahren 1. Klasse ist selbstverständlich. Ich habe als Rechtfertigung von Kollegen gehört, dass die Menschen ja einen gewissen Status von uns Politikern erwarten würden und dazu gehöre, gut angezogen zu sein, mit teuren Autos zu fahren und in der 1. Klasse zu reisen. Nun ja, das gilt vielleicht für Minister, bei Abgeordneten ziehe ich das in Zweifel. Ich kann aber nicht bestreiten, dass Äußerlichkeiten und Auftritt wichtig sind.

Die eigene Wichtigkeit und Machtposition spielt eine sehr große Rolle in der Politik. Man will sich profilieren, ist überall dabei (wenn auch nur für ein Foto) und empfiehlt sich für neue Aufgaben. Ständig ist irgendwer auf dem Absprung ins nächsthöhere Amt: Fraktionsvorstand, Staatssekretär, Ausschussvorsitz, Senator und so weiter. Dass wir als Abgeordnete im Zweifel am längeren Hebel sitzen, hat sich offensichtlich noch nicht herumgesprochen. Wir machen die Gesetze, wir sind der Haushaltsgesetzgeber, wir kontrollieren die Regierung. Als Abgeordneter kann man einen Minister schon mal ordentlich ins Schwitzen bringen oder sogar den Rücktritt forcieren. Anders herum können die Minister und Staatssekretäre den Abgeordneten wenig anhaben.

In machen Debatten geht es gar nicht darum, Lösungen oder neue Informationen zu finden, sondern seine eigene Wichtigkeit darzustellen. Ganz nach dem Motto: Es wurde zwar schon alles gesagt, aber noch nicht mit meinen Worten. Bei der Diskussion um die NORD/LB habe ich das mehrfach erlebt. Spannend, wie viele Bankenexperten es plötzlich im Landtag gibt.

Medienanfragen verführen dazu, das eigene Wirken überzubewerten und sich ins rechte Licht rücken zu wollen. Da steht dann in der Volksstimme ein Satz wie “Die Finanzexpertin der Linken sagt…”. Bin ich nach drei Jahren im Landtag Finanzexpertin? Nein, bin ich nicht, aber die Presse schreibt das, weil es ein schönes kurzes Wort ist. Alle anderen Formulierungen wären länger und umständlicher. Wenn es nach der Presse geht, sind übrigens alle Kollegen im Finanzausschuss “Finanzexperten”. Wer von der Presse zu einem Thema befragt wird, sagt in der Regel auch gern etwas dazu. Am nächsten Tag steht es dann in der Zeitung oder wird im Radio gesendet. Das wertet die eigene Meinung auf und bewirkt oftmals tatsächlich etwas.

Mir ist in den vergangenen drei Jahren folgendes aufgefallen: Je länger jemand Politiker ist, desto deutlicher wird die Veränderung der Persönlichkeit. Je kleiner die Job-Optionen außerhalb des Landtages, desto größer das Streben nach Macht und Status in der Politik.