In den vergangenen Tagen haben sich die Medien mit der Dienstreise von Finanzminister Schröder in die USA beschäftigt. Schröder reiste Mitte Oktober gemeinsam mit seiner Büroleiterin zur Jahrestagung der Weltbank und des IWF nach Washington. Die Reise führte außerdem nach New York. Dabei wurde er von seiner Büroleiterin begleitet, die genau wie er in der Business Class flog. Der Landesrechnungshof stuft das in ihrem Fall als unzulässig ein.

Der Umgang mit Dienstreisen hat nicht nur eine fiskalische sondern auch eine moralische Komponente. Dass Minister in der Businessklasse fliegen, ist erlaubt und wird praktiziert. Das finde ich, z.m. bei Langstreckenflügen auch durchaus angemessen. Bei Kurz- und Mittelstreckenflügen kann man durchaus auch in der Economy-Klasse reisen. Für Angestellte der Ministerien ist jedoch im “Besoldungs- und Versorgungsrechtsergänzungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt” eine Reise in der Economy-Klassse bzw. in der 2. Klasse vorgesehen.

Ich kann mir vorstellen, dass es für eine Ministerin oder einen Minister unvorteilhaft ist, wenn sie in der 1. Klasse reisen und die Mitarbeiter, mit denen man sich vielleicht noch besprechen möchte, in der 2. Klasse reisen. Obwohl es solche Fälle durchaus gibt, z.B. im Verkehrsministerium. Die einfachste Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, ist, dass alle gemeinsam die Economy-Klasse buchen. Möglich wäre auch, dass die Mitarbeiter den Aufpreis für die 1. Klasse selbst zahlen, obwohl ich mir kaum vorstellen kann, dass das jemand machen würde. Oder man muss im politischen Raum die Regeln ändern.

Abgeordnete haben eine Netzkarte für Zugfahrten in Sachsen-Anhalt. Mit dieser Karte können wir in Sachsen-Anhalt alle Züge der Bahn kostenfrei nutzen und zwar in der 1. Klasse. Außerhalb von Sachsen-Anhalt werden bei dienstlichen Terminen Fahrkarten von der Landtagsverwaltung gebucht und zwar automatisch in der 1. Klasse, es sei denn, man bittet explizit um eine Fahrkarte in der 2. Klasse. Gebucht wird ab dem ersten Bahnhof außerhalb von Sachsen-Anhalt, an dem der Zug hält.

Übersicht der Kleinen Anfragen zu Dienstreisen von Verkehrsminister Thomas Webel

Ich finde, es sollte prinzipiell genau andersherum sein, also dass man automatisch immer in der 2. Klasse reist, es sei denn, man hat Gründe für eine Fahrt in der 1. Klasse (ausgebuchter oder sehr voller Zug). Ich bitte in den allermeisten Fällen darum, ein Ticket in der 2. Klasse zu buchen. Das hat schon mehrmals zu Verwunderung und Nachfragen geführt (“Sind Sie sich sicher?” oder “Sie müssen sich aber, wenn der Zug aus Sachsen-Anhalt raus fährt, dann von der 1. Klasse in die 2. Klasse setzen”). Ich wundere mich eher darüber, dass es ungewöhnlich ist, dass jemand in der 2. Klasse fahren möchte.

Grundsätzlich haben Parlament und Minister viele Privilegien, die sie vom Rest der Bevölkerung abheben. Das kann irgendwann dazu führen, dass man den Bezug zur Realität verliert und nicht mehr weiß, wie es ist, als normaler Mensch ganz ohne Privilegien zu leben. Beispiele gibt es sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene quer durch alle Parteien. Auf bestimme Dienstreiseprivilegien zu verzichten, wäre ein kleiner Schritt hin zu einer realistischeren Weltsicht.

Den Sinn und Nutzen von Dienstreisen der Minister zu hinterfragen, ist eine Möglichkeit, Bewegung in diese Debatte zu bringen. Im vergangenen Jahr hatten wir mehrere Anfragen zu Reisen des Verkehrsministers gestellt. Ähnliche Fragen richteten wir nun auch an das Finanzministerium bezüglich der USA-Reise des Finanzministers. Über die aktuellen Entwicklungen in dem Fall berichtete zuletzt die Mitteldeutsche Zeitung.