Als ich im Jahr 2005 zur Partei kam, war es der Vorsitzende der Basisorganisation (BO), Detlef Horstmann, der mich in Wolmirstedt aufnahm. Er führte mich vorbehaltlos und offen in das Parteileben ein, erklärte mir Zusammenhänge und achtete darauf, dass ich an möglichst vielen Terminen teilnahm. Er betonte immer wieder, wie wichtig es sei, junge Menschen in die Partei zu holen.
Detlef hatte eine sehr direkte und ehrliche Art, die es ihm und anderen nicht immer leicht machte. Ich schätze ihn dafür, denn man wusste immer, woran man bei ihm war. Oft war er traurig über Vorgänge in der Partei und versuchte mit der BO in Womirstedt einen Kontrapunkt zu setzen.
Wir sind zumindest im Bördekreis als einer der kritischsten Ortsverbände bekannt. Irgendwann haben wir uns selbst als Gallier tituliert, die gegen die Übermacht der Römer kämpfen. Detlef war unser Asterix.
Ich kann mich noch gut an den Parteitag zur Listenaufstellung für die Landtagswahl erinnern. Der Parteitag fand im November 2015 in der Stadthalle in Staßfurt statt. Detlef begleitete mich und war aufgeregter als ich, obwohl ich ja die Kampfkandidatur machen und die Rede halten musste.
Als ich nach der Vortellungsrede von der Bühne zurück kam, konnte er kaum stillsitzen. “Wir schaffen es! Wir schaffen es! Das klappt!” rief er während der Auszählung der Stimmen die ganze Zeit. Und ja, es hat geklappt. Wolmirstedt hat seit 2016 wieder eine Landtagsabgeordnete. Das hatte sich Detlef seit Jahren gewünscht. Ohne seinen Einsatz für meine Kandidatur wäre das nicht möglich geworden.
Irgendwann nach der Landtagswahl gingen wir auf Bürosuche in der Wolmirstedter Innenstadt. Da ich in meinen drei Wahlkreisen zwei Büros aufmachen wollte (Burg und Wolmirstedt), war mein Budget, das eigentlich für ein Büro bemessen ist, recht schmal. Das machte Detlef aber nichts aus. Zielstrebig suchte er ein großes, teures und sehr zentral gelegenes Büro heraus. Es war eine gute Wahl.
Das Büro liegt mitten auf dem Boulevard, ist gut sichtbar und Anlaufpunkt für ehrenamtliche Gruppen vor Ort. Detlef hat die zweitägigen Öffnungszeiten durch sein freiwilliges Engagement auf meist mindestens drei Tage aufgestockt. Extra für ihn haben wir einen kleinen Cafe-Tisch und zwei Stühle gekauft, die bei gutem Wetter vor dem Büro standen. Detlef saß regelmäßig draußen und unterhielt sich mit vorbeigehenden Passanten.
Detlef kannte gefühlt die halbe Stadt. Wenn man mit ihm durch die Fußgängerzone ging, ist man keine 20 Meter weit gekommen, ohne dass er in ein Gespräch verwickelt wurde. Er war in Wolmirstedt als Linker bekannt, als Stadtrat geschätzt und als freiwilliger Helfer in diversen Schulen vor Ort eine große Hilfe.
Detlef konnte nach der Wende beruflich nie wieder richtig Fuß fassen, kam von einem Arbeitsbeschaffungsprogramm zum nächsten, hatte hier mal einen Ein-Euro-Job und dort eine Kurzzeitbeschäftigung. All seine Kraft und sein Herzblut steckte er ehrenamtlich in die Politik.
Er war bei der Bürgerinitiative Offene Heide dabei, ging fast immer zu den Montagsdemonstrationen in Magdeburg, engagierte sich in der Flüchtlingsarbeit, nahm an der Meile der Demokratie und an den Demos zu Ehren von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in Berlin teil. Die Partei und die BO in Wolmirstedt waren seine Familie. Sie gaben ihm auch in schweren Zeiten Halt und Sinnhaftigkeit.
Das letzte Mal sah ich ihn bei der Vorstandssitzung der BO am 2. Februar in Wolmirstedt. Es ging ihm nicht gut, daher fuhr ich ihn nach der Sitzung nach Hause. Sein Damenrad, mit dem er in Wolmirstedt immer unterwegs war und das er liebevoll “Angelina” getauft hatte, stellten wir ins Büro. Dort sollte es sicher und trocken stehen. Ich fuhr ihn bis vor seine Haustür, half ihm aus dem Auto, schaute, dass er gut in seine Wohnung kam und fuhr nach Hause.
Ende vergangener Woche ist er im Alter von nur 61 Jahren gestorben.
Was bleibt, sind viele schöne und gemeinsame Erinnerungen, viele kleine Erfolge, ein Wahlkreisbüro mitten in der Stadt, eine große Dankbarkeit für seine uneigennützige Unterstützung und Fürsprache. Und ein Fahrrad im Büro.
Mit Detlef sind in diesem Jahr bereits vier Menschen aus meinem familiären und näheren Umfeld verstorben. Das ist für Mitte Februar eine überaus traurige Bilanz. Ich weiß noch nicht, wo ich das alles hin stecken soll…