Im Rahmen der Fachkräftereise haben wir verschiedene Initiativen und Organisationen besucht, waren bei der Armee und im Gericht in Haifa. Nicht alle Eindrücke werde ich hier widergeben können, aber zumindest einige sollen erwähnt werden.
Einen nachhaltigen Eindruck hat der Besuch beim Militär-Radiosender in Tel Aviv hinterlassen. Einer der populärsten Radiostationen des Landes wird gemeinsam von Arme und Zivilbevölkerung geführt.
Die israelische Armee besteht zu großen Teilen aus jungen Menschen zwischen 18 und 21 Jahren. Jeder Israeli (mit wenigen Ausnahmen) ist verpflichtet, nach der Schule in der Armee zu dienen. Männer werden für drei Jahre verpflichtet, Frauen für zwei.
Überall im Land sieht man junge Menschen in verschieden farbenen Uniformen, manchmal mit Maschinenpistolen, manchmal aber auch mit Handtasche und Handy. Der Militärdienst scheint deutlich ziviler zu sein, als bei uns in Deutschland.
Es ist erstaunlich, dass Israel so viel Kraft in die Verteidigung des Landes steckt und dafür dem Arbeitsmarkt dieses enorme Potential junger Menschen entzieht. Das Studium beginnt für die jungen Männer also frühestens mit 21 Jahren, für Frauen mit 20 Jahren. Manche beginnen sogar noch später, da sie vor der Armee noch ein zusätzliches freiwilliges Jahr in sozialen Einrichtungen leisten.
Für uns scheint das alles ziemlich absurd und arbeitsmarktpolitisch unsinnig, für die Israelis aber ist das Normalzustand. Die wenigen jungen Menschen, die nicht zur Armee gehen (z.B. ultraorthodoxe Juden) gelten als Außenseiter. Der Wille, für das Land zu dienen, geht sogar soweit, dass ausgemusterte junge Menschen trotzdem freiwillig und auf eigenes Risiko beim Militär dienen. Es wird versucht, für jeden jungen Menschen die passende Einheit zu finden und auch Menschen mit Behinderungen einzugliedern.
Die Armee gilt als ein prägender und wichtiger Teil des Landes. Junge Menschen bekommen dort nicht nur eine militärische sondern auch eine politische und persönlichkeitsprägende Ausbildung. Es scheint beim Militär alles etwas lockerer zuzugehen, als in Deutschland und wenn man die Gruppen junger Soldaten in den Städten sieht, wirkt es eher wie eine Klassenfahrt, als militärischer Drill. Natürlich werden viele von ihnen auch an der Grenze und in den Krisengebieten eingesetzt, ein Teil übernimmt aber auch durchaus zivile Aufgaben, wie beispielsweise die Aufrechterhaltung des Radiobetriebs des erfolgreichsten Radiosenders Israels „Galgalatz“.
Hier arbeiten zivile Radioprofis gemeinsam mit jungen Soldaten zusammen. Sie erarbeiten gemeinsam das Programm, recherchieren, stellen Musiklisten zusammen, pflegen die sozialen Netzwerke des Senders und halten die Technik am Laufen. Der Ton ist locker und würde nicht vermuten lassen, dass hier das Militär agiert. Nur die Uniformen der jungen Menschen erinnern daran, dass das keine normale Radiostation ist.
Insgesamt scheint sich der israelische Staat sehr um junge Menschen zu bemühen. Schulkassen haben die Möglichkeit, Gerichtsgebäude zu besuchen, mit Richtern über ihre Arbeit zu sprechen und an einer Verhandlung teilzunehmen. Mehrere zehntausend Schüler durchlaufen dieses schulische Bildungsangebot pro Jahr, was laut Aussagen von Lehrern und Schülern durchaus Effekte auf die jungen Menschen hat.
Außerdem gibt es auf kommunaler-, Kreis- und Landesebene Jugendparlamente. Diese haben aber im Gegensatz zu Deutschland tatsächlich ein Mitspracherecht. Das geht soweit, dass Vertreter des Jugendparlaments sogar Mitglied der Knesset sind. In Deutschland wäre sowas überhaupt nicht denkbar. 16-jährige im Bundestag, die den Abgeordneten ihre Sichtweise darstellen und berücksichtig werden müssen? Faszinierend und wirklich spannend. Wir konsultieren die jungen Menschen in Deutschland maximal, um uns eine Meinung zu bilden. Von Mitsprache oder Entscheidungsmöglichkeiten keine Spur.
Ganz klar: Was Jugendbeteiligung angeht, kann sich Deutschland einiges von Israel abschauen.