Es gibt wenig Berufsgruppen die so intensiv medial begleitet werden, wie Politiker. Wir werden bei unserer Arbeit gefilmt oder fotografiert, unsere Redebeiträge aufgezeichnet und veröffentlicht, wir werden interviewt und kommentiert. Wer will, kann über Bundes- oder Landespolitiker, über Minister, Staatssekretäre und Abgeordnete im Internet diverse Informationen heraussuchen. Es gibt von vielen zahlreiche Fotos, Videos, Textbeiträge und mitunter persönliche Informationen zu finden.

Dass wir Politiker derart unter Beobachtung stehen und uns für unsere Ansichten und Handlungen verantworten müssen, ist durchaus gewöhnungsbedürftig. Da beinahe alles, was man sagt, aufgezeichnet, dokumentiert, beobachtet und bewertet wird, kann man hinterher auch viel besser aus Fehlern lernen.

Wir arbeiten unter einem Brennglas, das Schwächen, Ticks und Besonderheiten sehr schnell sichtbar macht. Je höher das Amt, desto größer der Druck.

Dazu kommen noch soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook und Instagram. Am besten, man ist überall, postet regelmäßig politische Initiativen, diskutiert mit den Menschen, verrät vielleicht einige Details aus seinem Privatleben, mischt sich ein und engagiert sich vor Ort. Manchmal könnte man annehmen, der perfekte Politiker schläft nicht. Dafür hat er nämlich keine Zeit.

Was es heißt, im politischen Geschäft mitzumischen, kann man erst verstehen, wenn man einige Jahre dabei ist. Wie in jedem Job muss man sich den Rahmenbedingungen, den Regeln des Systems anpassen. Wer immer nur brüllt und verachtet, dem hört niemand mehr zu. Wer ängstlich und zurückhaltend ist, wird keine Wirkung erzielen. Wer falsche Tatsachen behauptet, dem glaubt man nicht. Wer unzuverlässig ist, wird keine Verantwortung (mehr) tragen dürfen.

Je näher eine Wahl rückt, desto größer wird der Druck (auch innerhalb der Fraktionen). Wer nicht aufpasst, kommt unter die Räder. Es wird immer jemanden geben, der darauf wartet, dass ein Platz frei wird. Es ist ein hässliches Geschäft und wer die Regeln des politischen Spiels nicht beherrscht, geht entweder freiwillig oder wird zum Gehen gebracht.

Ich war anfangs oft erstaunt, wie hart und abgebrüht, wir zynisch, aggressiv und unzufrieden einige Kollegen im Landtag und im Bundestag waren. Da war kaum noch Begeisterung für eine Sache, keine Leidenschaft zu spüren. Ich habe mich oft gefragt, wie das passieren konnte. Jetzt weiß ich es: Es ist das ganze System, was das bewirkt. Die internen Machtkämpfe, die immerwährenden Streitgespräche im Parlament, die Rivalität zwischen Koalition und Opposition, die Auseinandersetzungen mit der Regierung. Überall lauern Konflikte, immerzu, unablässig. Das Streben nach Macht, das Heischen nach Aufmerksamkeit, das Mühen um mehr Einfluss. Und überall Erwartungen, Hoffnungen, Druck.

Ein dickes Fell sollte daher im Kleiderschrank jedes Politikers hängen. Hin und wieder sollte es auch ausgebessert und verstärkt werden. Vieles darf man nicht an sich herankommen lassen, denn es geht meist gar nicht um die Person, sondern um deren Position in diesem System – und zwar im doppelten Sinne. Es ist trotzdem ein Kunststück, offen, objektiv, höflich und sachlich zu bleiben und ich habe großen Respekt vor denjenigen, die auch unter Beschuss und Kritik ruhig blieben und gar mit einem lustigen Kommentar antworten können.