Nach dem Lockdown des Landtages im März fand nun erstmalig eine Landtagssitzung unter beinahe normalen Bedingungen statt. Wir haben zwei Tage debattiert, es gab mehr als zwanzig Tagesordnungspunkte und nur einige Themen, die sich mit Corona beschäftigten. Trotzdem hatte diese Sitzungsperiode einige ganz besondere Momente.
Nach wie vor haben wir strenge Abstandsregelungen zu beachten, das heißt, nur jeder zweite Sitzplatz im Plenarsaal ist belegt. Einige Abgeordnete mussten daher auf der Tribüne Platz nehmen, was die Sitzungsleitung vor einige koordinative Probleme stellte. Zudem arbeiten die Schriftführer nach wie vor nicht, da sonst auf dem Präsidium die Abstandsregelungen nicht eingehalten werden können. Die Parlamentarier bekamen außerdem ein Corona-Kit gestellt, bestehend aus Handschuhen, einer Maske, einer Wasserflache und einem Stift.
Die Landesregierung fiel durch Abwesenheit auf. Manchmal war nicht ein einziger Regierungsvertreter im Raum, oftmals nur ein oder zwei von insgesamt 10 Ministerinnen und Ministern.
Auch das Verhalten der anwesenden Regierungsvertreter war mindestens ungewöhnlich, was sich an folgenden Beispielen zeigen lässt: Ein Minister schlief am ersten Sitzungstag auf seinem Platz ein. Ein anderer Minister verpasste die Einbringung eines seiner Gesetze. Und ein dritter Minister verbrachte seine wenige Zeit im Plenarsaal unter anderem damit, einer der ihm zur Verfügung gestellten Handschuhe aufzupusten.
Nun muss man die Landesregierung zugute halten, dass momentan eine ungewöhnlich hohe Arbeitsbelastung herrscht. Einige Ressorts wie das Sozial- und das Wirtschaftsministerium arbeiten unter großem Druck und starker öffentlicher Beobachtung. Auch die Ministerinnen und Minister haben lange Tage und andere Arbeitsabläufe als sonst. Dass das Kabinett während der Landtagssitzung kaum anwesend war, lässt sich sicher durch hohen Abstimmungsbedarf untereinander und diverse Gespräche mit Interessenvertretungen erklären. Einschlafen und Handschuhe aufpusten muss vielleicht trotzdem nicht sein.
Aufgefallen ist mir außerdem die ungewöhnliche Ruhe im Plenarsaal. Manchmal hörte man sogar, wenn irgendwo ein Handy summte, so still war es. Da traute man sich nicht mal, mit seinem (etwas weiter weg sitzenden) Sitznachbarn zu sprechen.
Bei einigen Tagesordnungspunkten wurde trotzdem hitzig und emotional debattiert. Besonders die Aktuellen Debatten am Freitag sorgten für lange Diskussionen. Für die ersten beiden Punkte brauchten wir bis in die frühen Nachmittagsstunden. Auffällig war zudem, dass die drei Regierungsvertreter, die zu den Aktuellen Debatten sprachen, ungewöhnlich aggressiv, dünnhäutig und laut auftraten.
Der Ministerpräsident, der sonst nur selten im Landtag redet, hatte einen seiner längsten Auftritte im Plenum. Ministerin Grimm-Benne wirkte sehr angriffslustig und beinahe drohend. Und Minister Willingmann, der sonst für professoral-gediegene Töne bekannt ist, haute auch mal auf den Putz. Deutlich wurde, dass sich die drei Regierungsfraktionen in vielen Punkten nicht einig sind und sich auch im Plenum offen angriffen. Ob das für dieses Bundesland gut ist, wage ich zu bezweifeln.
Ansonsten lief alles wie immer: Die Debatten hatten wieder normale Längen (3 bis 5 Minuten pro Redner), die AfD pöbelte und argumentierte wie immer inkonsistent, und das Themenspektrum ging von Bauordnungen, über Schießsport bis hin zum ZDF-Fernsehrat. Es war schön, die Kolleginnen und Kollegen nach Wochen im Home-Office mal wieder zu Gesicht zu bekommen und einige aufgeschobene Dinge klären zu können. Fruchtbar war die Arbeit auch: Ich habe zwei Kleine Anfragen fertig gestellt und arbeite an einem Antrag für die nächste Landtagssitzung.