In der dreitägigen Oktober-Landtagssitzung stammten zwei Anträge aus meiner Feder. Die Befassung mit dem Kinder- und Jugendbericht im Sozialausschuss war völlig unzureichend. Deshalb beantragten wir, die im Bericht genannten Defizite schnellstmöglich abzubauen. Alle Fakten dazu liegen auf dem Tisch, der Kinder- und Jugendbericht stellt viele Forderungen und Empfehlungen auf. Erstaunlicherweise redete die Koalition aber am Thema vorbei und beteiligte sich eher lustlos an der Debatte. Der vorgelegte Alternativantrag verursacht keinen Schaden, bringt aber leider gar nichts. Im Prinzip fokussiert er auf Forderungen, die bereits im Koalitionsvertrag stehen. Dazu soll die Landesregierung berichten. Das ist wirklich traurig, denn es hätte im Plenum wirklich Notwendigkeit und Raum für eine Debatte und fachlichen Austausch gegeben. Die Ministerin konnte (oder wollte) meine Fragen nicht beantworten und argumentierte exakt so, wie ich es vorhergesehen hatte: Mit dem irgendwann umzusetzenden jugendpolitischen Programm würde alles gut. Wann das Programm kommt und welche Inhalte davon noch umgesetzt werden, kann man sich angesichts der anstehenden Landtagswahl in acht Monaten ausmalen. Um es mit den letzten Worten meiner Rede zu sagen: Diese Legislaturperiode ist jugendpolitisch ein Reinfall.

Mein zweiter Antrag beschäftigte sich mit dem Einsatz von EU-Mitteln. Die durch die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds EFRE, ESF und ELER geförderten Projekte werden durch Wirtschafts- und Sozialpartner (WiSo-Partner) begleitet und kontrolliert. Dafür gibt es ein Kompetenzzentrum, dass den WiSo-Partnern hilft, im EU-Begleitausschuss fachkundig mitzuentscheiden.

Bislang wird das Zentrum mit 75.000 Euro jährlich gefördert und ist momentan noch beim DGB angesiedelt. Zum 31. Oktober läuft die Förderung aus und der DGB will die Trägerschaft für das Kompetenzzentrum abgeben. Die Universität Magdeburg hat sich bereit erklärt, das Zentrum zu übernehmen.

Allerdings will das Finanzministerium sparen und die WiSo-Partner von der Verwaltung im Ministerium mitbetreuen lassen. Wer sich einmal von der Verwaltung neutral und unabhängig beraten lassen hat, weiß, dass das meist nicht funktioniert. Weil ich die kompetente Mitbestimmung der WiSo-Partner aber für wichtig und sinnvoll halte, habe ich hier einen Antrag eingebracht.

Das ganze Thema ist sehr komplex und erforderte eine Menge Recherche, daher ahnte ich, dass mir im Landtag wohlmöglich niemand folgen könnte. Um dies zu verhindern und der Koalition die Bedeutung des Kompetenzzentrums zu verdeutlichen, spielte ich “über Bande”. Das heißt, ich sprach schon Wochen vor dem Plenum mit zwei Koalitionsfraktionen und ließ sie an einem Teil der mir Informationen teilhaben. Da das Kompetenzzentrum keine ideologisch umkämpfte Institution ist und sich keiner politischen Richtung zugehörig fühlt, war die Chance groß, dass sich tatsächlich etwas bewegt.

Ich wusste, dass unser Antrag nicht so wie eingebracht beschlossen werden würde. Daher hoffte ich auf einen Änderungs- oder Alternativantrag der Koalition. Vor der Debatte teilte man mir allerdings mit, dass der Antrag als durchaus sinnvoll angesehen wird und man ihn daher in drei Ausschüssen besprechen wolle. Federführend sollte dies im Sozialausschuss passieren, mitberatend im Wirtschafts- und im Finanzausschuss. Das ist eine deprimierende Lösung, da ja eine schnelle Entscheidung her muss. Je länger wir jetzt in den Ausschüssen beraten, desto wahrscheinlicher wird es, dass das Zentrum geschlossen und nicht wieder aufgemacht wird.

Leider wurde die Federführung während der Debatte überraschend geändert und liegt nun beim Wirtschaftsausschuss. Das erklärt sich mir gar nicht und zeigt, dass die Koalition trotz meiner weitergereichten Informationen noch keine Ahnung vom Thema hat. Eine Überweisung hätte aus meiner Sicht in den Finanzausschuss und in den Europaausschuss Sinn gemacht. Dass nun zusätzlich auch noch der Wirtschafts- und der Sozialausschuss mitreden, verlängert das ganze Prozedere nur unnötig. Wenn er gut läuft, haben wir im Januar eine abschließende Debatte im Landtag, wenn es schlecht läuft, schaffen wir es vor der Wahl nicht mehr.

Die Debatte zum Thema hat außerdem deutlich gezeigt, wer versucht hat, sich ins Thema einzuarbeiten (SPD), wer überhaupt keine Peilung hatte (AfD), wer versuchte, sich über gekonnt verschleiertes Nichtwissen zu beteiligen (Grüne) und wem das eigentlich alles egal ist, sich aber der Wichtigkeit des Themas nicht entziehen konnte und daher die Überweisung in die Ausschüsse forderte (CDU).

Diese Debatte kann aus meiner Sicht als Lehrstück für ein Seminar in “parlamentarischer Demokratie” und zu den Mechanismen und Funktionen der Landespolitik. Wer am längeren Hebel sitzt (Koalition), braucht sich keine eigenen Gedanken machen, denn man hat ja das Kabinett und die Verwaltung, die einem schon die richtigen Informationen zuarbeiten werden. Bei Lars-Jörn Zimmer von der CDU war das ganz besonders deutlich zu merken. Die Opposition dagegen, muss sich die Finger wund schreiben und den Mund fusselig reden, um überhaupt jemanden im Plenum von diesem Thema zu überzeugen.

Wie oft ich mit WiSo-Partnern telefoniert habe, wie viele EU-Verordnungen und Haushaltspläne ich gelesen, mit welchen EU-Ebenen ich gesprochen und dass ich sogar beim Rektor der Uni Magdeburg war, weiß keiner in der Koalition. Dass ich nun aber einen meilenweiten Informationsvorsprung habe, kann in den Ausschusssitzungen helfen. Jetzt heißt es, weiter Gespräche mit den Koalitionskollegen zu führen und an allen vier Ausschüssen teilzunehmen (auch, um die Argumente der Verwaltung zu entkräften). Ich staune immer wieder über die Dynamik im Parlament und den Aufwand, den wir als Opposition betreiben müssen, um in diesem Land etwas zu bewegen (oder in diesem Fall zu erhalten). Ob sich der Aufwand und mein Spielen “über Bande” etwas genutzt hat, werden wir in einigen Monaten erfahren.