Am 31. August haben mein Kollege Stefan Gebhardt und ich eine Kleine Anfrage bezüglich des neuen Dienstautos für Staatssekretär Schellenberger gestellt. Eine unserer Fragen bezog sich auf die Ausstattungsmerkmale des laut Empfehlung der Ärzte notwendigen Sitzes. Laut Gutachten sei ein den Hüftbeschwerden entsprechender Autositz „angepasst an den Körper“ erforderlich.
Um heraus zu finden, wie das bei anderen Menschen mit Hüftbeschwerden geregelt wird (nicht jeder kann sich einen 7er BMW leisten), habe ich bei einer Krankenkasse angefragt. Dort wurde mir gesagt, dass es bei Hüftleiden dieser Art individuell angepasste Sitzschalen gibt, die von Sanitätshäusern angefertigt werden. Ob die Kosten dafür übernommen werden, entscheidet die jeweilige Krankenkasse.
Eine telefonische Nachfrage bei BMW hat ergeben, dass die elektrisch verstellbaren Einzelsitze von BMW (Executive Lounge Seating) keine Individualanpassungen sind. Ebenfalls sind die Executive Lounge Sitze nicht deutlich bequemer als ein Komfortsitz, der auch im 5er BMW erhältlich ist. Einziger Unterschied: Die Executive Lounge Sitze befinden sich hinten. Alle anderen Merkmale (Sitzheizung, Sitzbelüftung und Massagefunktion), die das Reisen komfortabler machen, sind auch auf Komfortsitzen im 5er BMW vorhanden.
Statt einen Sitz, der individuell auf seinen Körper angepasst ist, wählt Herr Schellenberger den nobelsten Standardsitz für die Rückbank aus der BMW-Aufpreisliste. Warum dieser Sitz besser geeignet sein soll als eine individuelle Sitzschale aus dem Sanitätshaus, ist nicht zu erklären. Ich möchte mich hier nicht über das Leiden des Staatssekretärs lustig machen, doch überzieht er hier maßlos und nutzt sein Leiden als Vorwand für ein Nobelauto auf Kosten des Staates und auf Kosten des Ansehens der Politik.
Spannend ist auch, dass Herr Schellenberg nur im Auto Beschwerden mit der Hüfte zu haben scheint, daher sind im Büro offensichtlich keine Spezialmöbel notwendig. Auch mehrstündige Ausschusssitzungen im Landtag scheinen ihn bisher in keinster Weise beunruhigt zu haben.
Zusammenfassend :
Herr Schellenberger hat in seiner Position eine besondere Außenwirkung. Mit dieser muss er verantwortungsvoll umgehen. Mit seiner Forderung nach einem 7er BMW trägt er zur Politikerverdrossenheit bei und bestätigt die gängigen Vorurteile über Politiker, wie Machtdenken, Eigennutz, Egozentrik und Abgehobenheit auf eine selten dagewesene Weise.
Es hätte ihm und dem Kulturressort gut zu Gesicht gestanden, auf den 7er BMW zu verzichten und die übliche Krankenversorgung in Anspruch zu nehmen. Es entsteht der Eindruck, dass man als Politiker auch bei gesundheitlichen Beschwerden Privilegien erhält.
Wo normale Bürger eine Gehilfe oder einen Rollstuhl mitunter erst im Widerspruchsverfahren von ihrer Krankenkasse bezahlt bekommen, wird Herrn Staatssekretär ein Auto verschrieben, welches sich mit einem Durchschnittsverdienst von 3.264 Euro Brutto im Monat die wenigsten Menschen in Sachsen-Anhalt leisten können (Grundpreis 7er BMW 730d xDrive = 88.000 Euro). Allein das Ausstattungspaket für die Rückbank mit den Executive Lounge Sitzen kostet laut aktueller BMW-Preisliste mindestens 12.500 Euro.
Hier geht es um Augenmaß und ein Gefühl dafür, was moralisch vertretbar ist. Politiker sind keine Menschen erster Klasse, sie haben lediglich aufgrund einer Wahl einen Vertrauensvorschuss der Wähler erhalten. Dieses Vertrauen hat Herr Schellenberger mit seinem Verhalten verspielt.
Heute berichteten Mitteldeutsche Zeitung und Volksstimme über das Thema.