Im Juni 2019 erreichte mich ein anonymer Brief in dem das Berufungsverfahren für die Professur “Regierungslehre und Policyforschung” an der Universität Halle kritisiert wurde. Die anonyme Person nahm an, dass es sich um ein westdeutsches Netzwerk handele, das die Besetzung dominieren würde. Ich wurde gebeten, mich mit dem Thema zu beschäftigen und die so genannte “Hausberufung” mit einem westdeutschen Wunschkandidaten zu verhindern. Man begründete den Brief damit, dass ich mich mit dem Thema „Benachteiligung von Ostdeutschen auf Führungspositionen“ beschäftigt hatte. In der Tat hatte ich mich in der Kleinen Anfrage “Ostdeutsche in Führungspositionen der Landesverwaltung” aus dem Jahr 2018 bereits dem Thema Ost-West-Gefälle gewidmet.

Ich nehme solche Briefe, soweit sie mir seriös erscheinen, ernst. Immerhin hat jemand sich getraut, mich anzuschreiben und offenbar auch zu meiner Arbeit im Parlament recherchiert. Da ist es nur fair, wenn ich etwas zurückgebe. Ich versuchte daher, weitere Hintergrundinformationen zu der Berufung zu recherchieren. Das gestaltete sich allerdings schwieriger als gedacht. Der Nachteil bei anonymen Schreiben ist, dass man keine Nachfragen stellen kann. Das wäre hier durchaus hilfreich gewesen. Was ich allerdings erfuhr, war, dass die Informationen in dem Brief korrekt waren und es tatsächlich einige Diskussionen bei dem Berufungsverfahren gab.

Ein Blick ins Hochschulgesetz gab Aufschluss darüber, wie ein Berufungsverfahren laufen soll und wie nicht. Nebenher war auch die Novelle des Hochschulgesetzes im Gespräch und ich hörte, dass einige Regelungen deutlich aufgeweicht werden sollten, so das Berufungsverfahren weniger demokratisch und deutlich intransparenter verlaufen sollten.

Da ich mit meinen Recherchen bezüglich des Berufungsverfahrens nicht weiter kam, entschied ich mich für die letzte verbleibende Option: Ich sprach mit dem Wissenschaftsminister. Er sagte mir zu, sich zu melden, sobald der Fall bei ihm auf dem Tisch landen würde (Berufungsverfahren werden immer vom Wissenschaftsministerium begleitet).

Im Juli 2019 bekam ich dann eine Mail (diesmal mit Klarnamen) von jemanden, der über eine Kleine Anfrage von mir zum Thema “Beteiligungen von Hochschulen und An-Instituten” aus dem Juni 2018 gestoßen war und darum bat, weitere Lockerungen im Bereich von wirtschaftlichen Betätigungen und Berufungsverfahren zu verhindern. Wir schrieben einige Male hin und her und trafen uns dann.

Heraus kam, dass es offensichtlich auch an anderen Hochschulen diverse Probleme bei Berufungsverfahren und wirtschaftlichen Betätigungen gibt. Ich versprach, mir die Hochschulgesetznovelle und deren Auswirkungen mal genauer anzuschauen.

Nun bin ich allerdings Haushälterin und keine Hochschulpolitikerin, daher wollte ich Aktivitäten in dem Bereich auf ein Mindestmaß reduzieren. Wir haben einen hochschulpolitischen Sprecher, der sich in dem Bereich bestens auskennt und meiner Unterstützung nicht bedarf.

Auf der anderen Seite habe ich durch die Arbeit im Finanz- und im Rechnungsprüfungsausschuss immer wieder mit Themen im Hochschulbereich zu tun. Daher auch die diversen Kleinen Anfragen im Bereich Weiterbildungsstudiengänge, Nebentätigkeit von Professoren, Beteiligungen und An-Institute. An den Themen werde ich wahrscheinlich auch zukünftig nicht vorbeikommen, dort ist offenbar eine Menge im Argen. Wir sprachen also in der Fraktion miteinander und einigten uns darauf, dass ich weiter im Grenzbereich Finanzen/ Kontrolle/ Transparenz/ Hochschulen agieren werde, bestimmte Dinge aber sicherheitshalber mit dem Fachkollegen abspreche.

Bei der Einbringung des Gesetzes im September 2019 begann ich dann, Kritik und Fragen zu äußern. Da war der Minister noch ganz gelassen und freudig, das änderte sich allerdings im Laufe der Zeit und die Antworten in den letzten Debatten wurden immer ausweichender und genervter.

Hier die noch gut gelaunte Einbringungsrede des Ministers. Die Fragerunde startet ab Minute acht:

Im Bereich des im anonymen Brief genannten Berufungsverfahrens passierte lange Zeit nichts und ich nahm an, das Problem hätte sich erledigt. Am 29. Dezember 2019 wurde ich dann bei Twitter angeschrieben. Auf einem Account wurde etwas über ein Berufungsverfahren an der Uni Halle getwittert, bei dem ostdeutsche Kandidaten übergangen wurden. Nachdem ich die Twitter-Timeline durchgelesen hatte, war klar, dass es sich genau um den Fall handelte, den ich schon sechs Monate vorher per Brief auf dem Tisch hatte. Offenbar war der Prozess nun abgeschlossen und das Ministerium hatte sein Einverständnis gegeben.

Das rief natürlich die kritische (und nun etwas verärgerte) Opposition auf den Plan und ich fing an, bei Twitter die Namen derer zu recherchieren, die sich zu dem Fall geäußert hatten und nahm den Hörer in die Hand. Das führte im Ergebnis dazu, dass ich nun ein großes Netzwerk an Wissenschaftlern, Journalisten und Hochschulfachmenschen habe, dir mir umfangreiche Informationen zum Berufungsverfahren und zur Hochschulgesetznovelle zukommen lassen. Ich kniete mich beim Hochschulgesetz tief in die Materie und bin nach wie vor erstaunt, was dort alles verändert, gelockert und intransparenter gemacht werden soll.

Vieles von dem, was der Landesrechnungshof in früheren Prüfungen kritisiert hatte, soll nun legalisiert werden. Gemeinsam mit meinem Kollegen Hendrik Lange stellte ich daher die Kleine Anfrage “Regelungen zur Transparenz im neuen Hochschulgesetz“. Außerdem nahm ich an der Anhörung zum Gesetz teil und am 12. März an der Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Leider konnte ich nicht alle Fragen stellen, daher schickte ich die übrigen per Mail an das Wirtschaftsministerium und bekam in der vergangenen Woche eine Antwort.

In der Sitzung des Finanzausschusses am 15. April wurde das Gesetz, unter Teilnahme des Wissenschaftsministers und seiner Fachleute, behandelt und beschlossen. Mein Kollege Hendrik Lange und ich äußerten uns zu verschiedenen Themen sehr kritisch und stellten diverse offen gebliebene Fragen. Genützt hat es wohl nicht viel. Das Gesetz geht nun zurück an den Wirtschaftsausschuss, der sich am 23. April damit beschäftigt und dann wird es voraussichtlich in der Landtagssitzung am 7. Mai verabschiedet werden.

Die Arbeit, Recherche, die etlichen Mails und Telefonate, auch die Gespräche mit dem Minister und die vielen Fragen in den Ausschüssen und im Plenum haben letztendlich zu keiner Änderung des Gesetzes geführt. Die geplanten Regelungen werden trotzdem umgesetzt, die Hochschulleitungen bekommen mehr Macht, die wirtschaftlichen Aktivitäten der Hochschulen können nur noch sehr eingeschränkt durch den Landesrechnungshof geprüft werden, die demokratischen Gremien werden geschwächt und Professoren können sich legal nebenher eine goldene Nase verdienen und die Lehre an den Hochschulen vernachlässigen.

Wir haben das alles erkannt, öffentlich gemacht und kritisiert. Wenn es so beschlossen wird, werden wir weiter aktiv sein. Wir werden Kleine Anfragen stellen (eine ist schon raus, andere in Planung), werden genau hinschauen, werden den Menschen an den Hochschulen zuhören und uns intensiv mit den kommenden Prüfungen des Landesrechnungshofes beschäftigen.

Das Berufungsverfahren an der Uni Halle ist übrigens noch in der Schwebe. Einer der Bewerber hat eine Konkurrentenklage eingereicht.