Die letzte Landtagssitzung vor der Sommerpause gestaltete sich etwas anders, als gedacht. Zum einen wurde die Sitzung von drei auf zwei Tage gekürzt, da offenbar doch nicht ganz so viele Anträge eingereicht wurden. Und zum anderen ist die Arbeitsweise des Parlaments durch die Corona-Bedingungen immer noch eingeschränkt.
Da wir durch die Mindestabstände nicht genug Plätze im Plenarsaal haben, müssen einige Abgeordnete auf der Tribüne sitzen. Ich finde das wenig sinnvoll und verfolge die Sitzung bei Debatten, bei denen ich thematisch nicht viel beizutragen habe, dann lieber von meinem Büro aus. In allen Landtagsbüros sind über den Türen Lautsprecher abgebracht, die die Debatte übertragen.
So habe ich diese Landtagssitzung erstmalig zu großen Teilen im Büro verbracht. Das war ungewohnt aber eine nette Abwechslung, da ich dadurch viele andere Dinge abarbeiten konnte, die gewöhnlich an Sitzungstagen liegen bleiben.
Mein Antrag mit dem sperrigen Titel “Beteiligung des Haushaltsgesetzgebers bei der Verteilung von EU-Mitteln” wurde zum zweiten (und letzten) Mal beraten. Die Koalition setzte sich mit ihrer Beschlussempfehlung durch. Erstmalig beraten hatten wir den Antrag im März 2019, nun, 16 Monate später, hat sich leider wenig getan. Ich muss aber lobend hervorheben, dass sich der Finanzausschuss wirklich mehrmals intensiv über diesen Antrag austauschte und sich sogar ein Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes anfertigen ließ. Es wissen auch alle Fraktionen, dass mit dem Beschluss nicht viel gewonnen ist, daher bin ich gespannt, wie sich das Thema weiter entwickelt. Die Debatte kann hier verfolgt werden.
Ein neuer Antrag, den ich hier auch schon angekündigt hatte, beschäftigt sich mit der Jugendarbeit unter Corona-Bedingungen. Es ging u.a. darum, den Jugendverbänden in diesem Jahr strukturell und finanziell mehr Freiraum zu geben. Da es ein Mischantrag zwischen Jugend- und Finanzthema war, gab es eine ungewöhnliche Rednerliste. Für die CDU sprach Tobias Krull (jugendpolitischer Sprecher), für die Grünen Olaf Meister (finanzpolitischer Sprecher), für die SPD Angela Kolb-Janssen (bildungspolitische Sprecherin) und für die AfD Daniel Wald, der im Rechnungsprüfungsausschuss sitzt (und offenbar keinen Sprecherposten hat).
Da das Anliegen des Antrages recht dringend ist, wollten wir keine Überweisung in die Fachausschüsse, sondern eine Direktabstimmung. Die Koalition hätte auch einen Alternativ- oder Änderungsantrag schreiben können, dazu hat sich aber offenbar niemand in der Lage gefühlt.
Vorschlag der Koalition war es, den Antrag federführend in den Sozialausschuss und mitberatend in den Finanzausschuss zu überweisen. Wenn das so beschlossen worden wäre, hätten wir den Antrag erst wieder im November im Plenum, was aus meiner Sicht sinnfrei ist, da das Jahr dann vorbei ist und die Verbände mehr als ein halbes Jahr Zeit, Geld und Arbeit mit jungen Menschen verloren hätten. Also habe ich einen Gegenvorschlag gemacht, der sich so gestaltet:
So haben wir es am Ende auch beschlossen. Das ist zwar nicht das, was ich gern wollte, aber immer noch mehr, als die Koalition beabsichtigt hatte. Hier kann die gesamte Debatte verfolgt werden. In der Hand halte ich übrigens den Terminplan von weiter untem im Text…
Im Video sieht das so locker-flockig aus, als hätte ich mir das gerade erst ausgedacht. Wie viel Arbeit aber hinter diesem Vorschlag steckt, möchte ich an dieser Stelle gern erläutern: Zum einen musste ich heraus bekommen, was die Koalition mit dem Antrag macht. Das war recht einfach, da man schon im letzten Sozialausschuss angekündigt hatte, den Antrag überweisen zu wollen.
Was mir bis zum Anfang der Landtagssitzung aber nicht klar war: Der Antrag sollte auch in den Finanzausschuss überwiesen werden. Das ist keine dumme Idee, verlängert die Beratungszeit aber erheblich. Rausbekommen habe ich das, in dem ich nachgeschaut habe, wer von den anderen Fraktionen spricht. Das kann man zum Tag der Sitzung auf der Landtagswebseite nachschauen (dort ist beim Livetream schon vorher zu sehen, welche Redner kommen) oder man schaut in die Unterlagen des Vizepräsidenten, da steht das auch drin (-;
Da Olaf Meister sprechen sollte, fragte ich ihn am Mittwoch, ob der Antrag auch in den Finanzausschuss überwiesen werden soll. Er bejahte. Dann suchte ich mir auf der Landtagswebseite den Terminplan für das zweite Halbjahr heraus, auf dem man sehen kann, wann welche Ausschüsse tagen. Dort fiel mir auf, dass der Sozialausschuss erst im September und dann wieder im November tagt.
Ein federführender Ausschuss hat einen Antrag zwei Mal zu behandeln. Einmal, um darüber zu beraten und eine Beschlussempfehlung für den Landtag zu bearbeiten und ein zweites Mal, wenn der mitberatende Ausschuss auch sein Votum abgegeben hat. Aus den beiden Beschlussempfehlungen wird dann eine gemacht, die dann im Plenum besprochen wird.
Mein Ziel war es, so schnell wie möglich einen Beschluss zum Antrag zu fassen. Da ich mir nicht ganz sicher war, wie es sich verhält, wenn beide Ausschüsse an einem Tag stattfinden, fragte ich die Ausschusssekretärin des Finanzausschusses um Rat. Sie meinte, dass eine Befassung mit einem Thema am selben Tag in beiden Ausschüssen möglich ist, wenn ein Ausschuss das Thema am Anfang der Tagesordnung und ein Ausschuss das Thema am Ende der Tagesordnung behandelt.
Blieb nur noch zu klären, ob der Antrag, wenn der federführende Ausschuss eine Beschlussempfehlung erarbeitet hat, dann auch gleich in dem in der Woche darauffolgenden Plenum behandelt werden könnte. Da immer eine Woche vor dem Plenum der Ältestenrat die Tagesordnung festlegt, hatte ich die Befürchtung, dass die Zeit zu kurz wäre und der Antrag dann trotz der schnellen Ausschüsse erst im Oktober behandelt werden könne. Um das zu klären, bin ich zu unserem parlamentarischen Geschäftsführer Stefan Gebhardt gegangen. Er sagte, dass die Zeit ausreicht und der Antrag dann gleich im September zurück ins Plenum kann.
Dieses strukturelle Wissen war in diesem Fall mein Vorteil, denn die Koalition hatte sich offenbar über die Beratungsreihenfolge und der darin schlummernden Möglichkeiten keine Gedanken gemacht.
Das Beispiel zeigt, dass es manchmal gar nicht Inhalte, Argumente oder Vortragsweisen sind, die über einen politischen Erfolg entscheiden, sondern mitunter auch das Kennen von Geschäftsordnungen und Zeitplänen. Natürlich ist durch die Überweisungsreihenfolge noch keinem Jugendverband geholfen, aber die Möglichkeit, dass zeitnah etwas hilfreiches passiert, ist gestiegen.