Die 99. Sitzung des Finanzausschusses am Rande des Donnerstags-Plenums hat definitiv einen Platz unter den fünf schlimmsten Sitzungen verdient. Das hat verschiedene Gründe, die ich an dieser Stelle an einem Aspekt kurz beleuchten möchte.
Die Sondersitzung wurde einberufen, um ganz besonders wichtige und dringende Themen bezüglich der Pandemie-Situation zu besprechen. Dafür bekamen wir eine Vorlage mit zwei „dringend notwendigen“ Investitionen. Eine davon beinhaltete die Freigabe von 200.000 Euro für das kommende Jahr, um in der Staatskanzlei einen digitalen Medienspiegel erstellen zu lassen. Der momentane Pressespiegel – also die tagesaktuelle Zusammenfassung von relevanten Medienberichten – wird von der Staatskanzlei auf Grundlage der Printmedien erstellt und morgens an die Ministerien und an den Landtag verteilt. Wir Abgeordnete können ihn auch eingescannt im Intranet des Landtages einsehen.
Zukünftig will man auch Onlinemedien und Fernsehbeiträge in den dann neu benannten Medienspiegel einbeziehen und dies durch eine Agentur erstellen lassen. Jetzt in der Corona-Pandemie wären schnelle und aktuelle Informationen besonders wichtig, daher solle das aus dem Corona-Nachtragshaushalt bezahlt werden. Argumentiert wurde, dass durch die Fremdvergabe vier Stellen in der Staatskanzlei wegfallen würden und man daher Einsparungen vornimmt. So viel zu den Informationen von der Regierung.
Hier nun die Fakten, die wir recherchierten: Die vier Personalstellen, die den Pressespiegel erstellen, sind eigentlich acht Stellen, davon vier Angestellte in der Staatskanzlei und vier Teilzeitstellen. Die Teilzeitstellen kosten im Jahr zusammen rund 30.000 Euro. Vor einigen Jahren waren das Studentenjobs. Das weiß ich, weil ein Bekannter dort arbeitete. Wenn die 30.000 Euro wegfallen, haben wir immer noch Mehrkosten von 170.000 Euro jährlich.
Außerdem erfuhr ich, dass die Digitalisierung des Pressespiegels schon länger geplant war und nicht erst in der Pandemie auf den Tisch kam. Das bestätigte der Regierungsvertreter. Laut seiner Aussage im Ausschuss wollte man dies schon im Jahr 2018 umsetzen. Man hätte das also auch ganz normal im Doppelhaushalt 2020/2021 einplanen können bzw. im nächsten Haushalt 2022.
Aufgefallen war uns auch, dass die technische Wartung des Pressespiegels bis 2019 jährlich 17.000 Euro kostete. Im Jahr 2020 stiegen die Kosten plötzlich auf 72.000 Euro. Im Jahr 2021 sollen sie sogar bei 74.000 Euro liegen. Begründung: Ein Mehrbedarf entstehe wegen einer notwendigen Erneuerung der Software für den elektronischen Pressespiegel. Aha. Wir erneuern also die Software für den elektronischen Pressespiegel, um parallel einen digitalen Pressespiegel einzuführen?
Aus unserer Sicht war sehr offensichtlich, dass man hier versucht, ein lang geplantes Projekt mit Restmitteln aus dem Nachtragshaushalt umzusetzen und darauf hoffte, dass das unproblematisch durch den Finanzausschuss geht.
Dank der desinteressierten und uninformierten Koalition passierte das auch fast. Die Koalitions-Männer ließen sich, wie so oft – träge auf ihren Stühlen hängend – von der Regierung berieseln. Wäre da nicht die nervige linke Opposition gewesen. Nachdem ich umfangreich Kritik an dem Vorgang geäußert hatte, wurden die Herren auf den Koalitionsbänken wach und mussten mit ihrem halben Zweidrittelwissen vehement für diese tolle Idee der Regierung werben. Die Herren spielten sich plötzlich auf, wurden laut, polterten herum und verstanden die Gegenseite absichtlich falsch. Dabei hatte die Mehrzahl die Vorlage ganz offensichtlich gar nicht gelesen.
Das ist ein Punkt, der mich im Landtag immer wieder zur Verzweiflung treibt. Die Koalition zeigt so oft weder Ahnung noch Interesse, verlässt sich auf die Regierung und beschließt Dinge, die überflüssig, teuer oder doppelt eingeplant sind. Es ist egal, wie viele gute Gegenargumente wir haben. Es ist egal, wie vehement wir argumentieren, wie gründlich recherchiert und gut unsere Fakten sind. Die Koalition setzt sich durch. Was wir sagen, ist ihnen schlichtweg egal. Sie stützen damit oft unnötig teure oder sachlich fragwürdige Entscheidungen. “Weil wir es können”, wie ein CDU-Abgeordneter es mal feststellte.
Natürlich kann die Regierung einen digitalen Medienspiegel einführen, aber nicht mit Corona-Geldern, die für viele andere wirklich notwendige Dinge (wie Masken, Beatmungsgeräte, Luftfilter für Schulen) eingesetzt werden könnten. Koalition und Regierung aber verschwenden die Gelder für eine Doppelfinanzierung des Pressespiegels und beschließen dies als Dringlichkeitsthema in einer Sondersitzung des Finanzausschusses.
Einen Tag später fanden wir heraus, dass wir etwas übersehen hatten: Bereits im Oktober hatte sich der Ältestenrat mit dem Thema “Pressespiegel” beschäftigt, dort wurde berichtet, dass der Landtag, sobald die Staatskanzlei auf einen digitalen Medienspiegel umstellt, vom Angebot abgekoppelt wird. Das heißt, der Landtag muss sich einen eigenen Dienstleister suchen, der einen Medienspiegel für die Abgeordneten erstellt. Im Ältestenrat fasste man den Beschluss, dass man für das Jahr 2021 einen kurzfristigen Vertrag mit einem Dienstleister abschließen wolle und ab dem Jahr 2022 (neuer Haushalt) einen längerfristigen Vertrag.
Es wird also ab kommendem Jahr zwei Medienspiegel, zwei Dienstleister und (wenn es schlecht läuft) doppelte Kosten geben. Großartig.