5 Jahre im Landtag – Vom Zweifeln, Staunen und Wachsen

Ich komme aus einem nicht-akademischen Elternhaus. Meine Entscheidung, nach dem Abitur Politik und Soziologe zu studieren, sorgte familiär für wenig Begeisterung und stellte mich als Studentin vor einige Herausforderungen. Oft fühlte ich mich naiv, dumm, fehl am Platz: Im Gegensatz zu vielen meiner Kommilitonen wusste ich nicht, wer Max Weber, John-Maynard Keyens oder Michel Foucault waren. Das habe ich mir erst im Laufe des Studiums erarbeitet.

Den Magisterabschluss hatte ich zwar irgendwann in der Tasche, dieses unwohle Gefühl, an der Universität nicht dazu zu gehören, habe ich aber nie abgelegt. Aus meiner Sicht fehlte mir der richtige Duktus und der wissenschaftlich-fundierte Auftritt.

Diese riesige Lernanstalt mit all den Dozenten, Professoren, Dekanen und Rektoren schaute – so mein Eindruck – irgendwie immer auf mich herab.

Und dann zog ich in den Landtag ein. Jetzt sollte ich plötzlich mit darüber bestimmen, wie die Hochschulen finanziert werden, ob es weiter Studiengebühren geben und wie die Hochschullandschaft in Sachsen-Anhalt zukünftig aussehen soll. Im Landtag begegneten mir zwei meiner Dozentinnen wieder – eine Referentin im Justizministerium, eine persönliche Referentin eines Ministers. Und ich, die ehemalige Studentin, stand ihnen nun als Gesetzgeberin gegenüber. Plötzlich war ich diejenige, die Frage stellte, und sie diejenigen, die nach Antworten suchen mussten. Ein komisches Gefühl.

Noch komischer wurde es, als der Rektor meiner ehemaligen Universität am Rande einer Ausschusssitzung zu mir kam und sich bei mir für eine Kleine Anfrage bedankte. Er hätte schon länger Probleme in diesem Bereich und fände meine Fragen dahingehend sehr richtig und hilfreich. Ich bin in dem Moment im Flur des Landtags stehend total rot geworden. Da kommt ein Professor zu mir und bedankt sich bei mir für meine Arbeit. Ui, ui, ui.

Dass ich ihm vor kurzem in einer ganz anderen Sache mit einer parlamentarischen Initiative sogar strukturell und finanziell helfen konnte, freut mich sehr.

Im Landtag die Möglichkeit zu bekommen, mich von einem ganz anderen Standpunkt aus mit Hochschulen zu beschäftigen, fand ich sehr spannend und bereichernd. Und dass ich mich immer noch nicht hochwissenschaftlich ausdrücken kann, ist in der Politik vielleicht sogar ein Vorteil.

Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie mich damals aufs Gymnasium schickten, auch wenn es manchmal nicht einfach war. Es ist wichtig, dass junge Menschen mit unterscheidlichen Hintergründen studieren können und die Möglichkeit erhalten, sich zu bilden. Und es ist wichtig, dass Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen im Landtag wirken können.

Thüringer Verhältnisse

Wir haben viel gehofft und alle Daumen gedrückt und tatsächlich konnten wir bei der Landtagswahl in Thüringen ein super Ergebnis erringen. Wir haben mehr Stimmen geholt, als im Jahr 2014 und sind stärkste Kraft im Bundesland geworden. Das ist ein großartiger Erfolg! Zumal die Erfahrungen sagen, dass es unheimlich schwer ist, seine Stimmenanzahl zu steigern, wenn man in der Regierung ist.

Jetzt wird es allerdings kompliziert, denn eine neue Regierung ist mit Grünen und SPD äußerst schwierig. Und das Projekt Minderheitsregierung ist sehr gewagt und kann auch nach hinten losgehen. Das Gute an dieser schwierigen Situation ist, dass die alte Regierung laut Thüringer Landesverfassung so lange im Amt bleiben kann, bis eine Lösung gefunden ist. Es gibt keine Fristen für die neue Regierungsbindung. Falls es drei Monate dauert, dauert es eben so lange. Und falls man ein Jahr braucht, ist auch das möglich. Das gibt der Linken und auch Bodo Ramelow viel Zeit, um in Ruhe über eine Regierungsbildung nachzudenken.

 

Die Stille nach der Wahl

Nach den beiden Wahlen in Sachsen und Brandenburg hat es einige Tage gedauert, um zu verstehen, was da eigentlich passiert ist. Es wirkte, als hätten alle erst Mal die Luft angehalten und die Ergebnisse still auf sich wirken lassen.

In den darauf folgenden Tagen war die Presse voll von Meldungen über die Bedeutung der Wahl, über die Gründe des Ergebnisses, von Vorschlägen für die weitere Politik. Irgendwo stand, dass eigentlich alle verloren haben: Die CDU, die SPD und wir weil uns die Wähler weglaufen (oder weg sterben), die AfD weil sie doch nicht stärkste Kraft geworden ist, und die Grünen weil sie hinter den Prognosen blieb und nun entscheiden muss, ob sie ein ähnlich schwieriges Bündnis eingehen will, wie hier in Sachsen-Anhalt.

Erstaunlich fand ich, wie sehr Ostdeutschland durch diese beiden Wahlen in den Fokus geraten ist. Das ist ein ungewohnter und durchaus positiver Vorgang, lud aber leider das ein oder andere Medium dazu ein, mal wieder ein bisschen Kritik an den Menschen im Osten der Republik zu üben.

Ein bisschen Ost-Bashing hilft bestimmt, die Stimmung zu verbessern…

Am Montag nach der Wahl haben wir im Kreisvorstand Jerichower Land der Ergebnisse lange, offen und schonungslos diskutiert. Natürlich wird die aktuelle Stimmung auch Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt haben, natürlich fürchten wir, dass es bei der kommenden Landtagswahl 2021 noch schlechter für uns aussehen wird als im Jahr 2016. Das Gute an diesem Kreisvortand ist, dass man nicht nur Frust ablässt sondern auch produktiv und kreativ nach vorn denkt. Wir haben für die kommenden 21 Monate bis zur Landtagswahl Veranstaltungsideen und Projekte erdacht und ich bin hoffnungsvoll, dass wir unser Bestes geben werden. Finanziell wird sich bei mir in den kommenden Wochen etwas ändern, daher haben wir höchstwahrscheinlich etwas mehr Luft. Darüber werde ich in der kommenden Zeit noch ausführlich berichten.

In der Fraktion kommt die Wahlauswertung erst noch. In dieser Woche hatten wir durch eine auswärtige Fraktionssitzung in Halle noch keine Zeit, da wir gerade zwei FrakionskollegInnen beim Wahlkampf unterstützen. Im Süden des Landes stehen in den kommenden Wochen zwei wichtige Wahlen an, die für uns als Fraktion auch personelle Veränderungen haben könnten: Am 13. Oktober findet in Halle die Oberbürgermeisterwahl statt. Mein Kollege und wissenschaftspolitischer Sprecher Hendrik Lange tritt als gemeinsamer Kandidat von Linken, Grünen und SPD an.

Ende September kommt es außerdem im Saalekreis zu einer Neuwahl des Landrates. Der amtierende Landrat Frank Bannert war im Juli verstorben. Für uns startet Kerstin Eisenreich ins Rennen, die in der Fraktion stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin für Energiepolitik ist. Bei der vergangenen Landratswahl unterlag sie Bannert erst in der Stichwahl.

Es heißt also: Kopf hoch, nicht die Hände.

Lange Nacht der Wahlen

Der Sonntag war ein langer Tag für alle Wahlhelferinnen und Wahlhelfer. Von 6.30 Uhr bis zum Teil deutlich nach Mitternacht waren tausende Frauen und Männer auf den Beinen, damit die Wahl gut über die Bühne geht. Das ist eine tolle Leistung, denn ohne die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer würde das System nicht funktionieren.

Wir hatten in unserem Wahlbüro in Magdeburg Stadtfeld einige kleine und große Hürden zu nehmen, wozu abgeschlossene Türen, schlechte Lichtverhältnisse beim Auszählen, eine Verkehrskontrolle auf dem Weg zum Rathaus und falsch abgelegte Stimmzettel zählten. Glücklicherweise haben wir alles gemeistert und konnten dann gegen 1:30 Uhr den arbeitsreichen Tag beenden.

Vorläufiges Ergebnis der Europawahl in Sachsen-Anhalt Grafik: Stala

Auch in anderen Wahlbüros war einiges los: In manchen Gemeinden hat sich die Wahlbeteiligung fast verdoppelt und lag zum Teil bei deutlich über 60 Prozent. Einige Wählerinnen und Wähler mussten sogar über 20 Miniten anstehen, um ihre Stimme abzugeben. Am längsten dauerte übrigens meist das Zusammenfalten des fast endlosen Europawahlzettels.

Schön, dass das Interesse an der Politik auf kommunaler und auf EU-Ebene gestiegen ist. Ob man mit dem Ergebnis der beiden Wahlen zufrieden ist, bleibt jedem selbst überlassen.

Erschreckt hat mich das starke Abschneiden der AfD in Sachsen-Anhalt. Auf beiden Ebenen konnte die Partei deutlich dazu gewinnen. Offensichtlich ist es Wille der Wählerinnen und Wähler, dass diese Partei zukünftig mehr zu sagen hat. Das muss akzeptiert werden. Wenn die Politik ähnlich aussieht, wie sie im Landtag praktiziert wird, mache ich mir jedoch große Sorgen um unser Land.

Aus meiner Sicht verdient, ist der Erfolg der GRÜNEN. Sie haben schon seit vielen Jahrzehnten die Themen Umwelt und Klima auf der Agenda und konnten damit Stimmen gerade bei jungen Menschen gewinnen. Respekt für den guten Wahlkampf und das tolle Ergebnis. Ich bin gespannt, ob sich die grüne Politik auf Kommunen und europäische Union auswirken wird.

Das Ergebnis der LINKEN lässt Luft nach oben. Ich hatte mir gewünscht, dass wir stärker abschneiden, glaube aber, dass es auch schlimmer hätte kommen können. Fragen sollten wir uns, wie wir bei jungen Wählern besser punkten können und auch die Menschen zurückgewinnen können, für die wir Politik machen. Auch beim Wahlkampf an sich können wir innovativer werden. Ein Lob bleibt aber nach wie vor: Unsere Plakate waren echt toll.

Pressebereich jetzt online!

Vor einigen Wochen hatte ich es angekündigt, jetzt ist es soweit: Der Pressebereich auf der Webseite ist fertig. Er findet sich in der Menüleiste als letzter Punkt auf der rechten Seite.

Hier gibt es eine Übersicht zu meinen Pressemitteilungen, zu Reden, Kleinen Anfragen und der aktueller Presseberichterstattung. Da ich hin und wieder Anfragen der Zeitungen bezüglich aktueller Fotos hatte, finden sich im Pressebereich nun auch Pressefotos.

Außerdem wird es demnächst eine Autogrammkarte geben. Wir haben seit Anfang der Legislatur schon über 30 Anfragen bekommen, also haben wir uns nach einiger Diskussion dazu entschieden, eine kleine Auflage drucken zu lassen.

Ein lachendes und ein weinendes Auge

Die Ergebnisse sind, da, die Mandate verteilt, der Bundestag mit 705 Plätzen voll besetzt. Es ist das eingetreten, was viele vermutet haben: Die Volksparteien haben Wähler verloren, die AfD viele dazu gewonnen.

Somit gibt es aktuell 6 Fraktionen im Bundestag, vielleicht wird es nach dem Austritt von Frauke Petry noch eine mehr.

Es ist nun an den Parlamentariern mit der neuen Situation umzugehen. Leicht wird es nicht, aber ich glaube, dass es mehr Bewegung im Parlament geben wird, eine lebendigere Debattenkultur (auch weil es wahrscheinlich drei Oppositionsparteien geben wird) und vielleicht auch die ein oder andere überraschende Abstimmung. In der vergangenen Legislatur hatte die Große Koalition insgesamt 504 Stimmen, die Opposition zusammen lediglich 127. In dieser Legislatur wird das Verhältnis, wenn es zu einer Jamaika-Koalition kommen sollte, nicht ganz so unterschiedlich sein: CDU/CSU, FDP und GRÜNE hätten zusammen 393 Sitze, die drei Oppositionsparteien 316 Sitze.

Von den 69 Sitzen, die DIE LINKE in dieser Legislatur errungen hat, werden vier aus Sachsen-Anhalt besetzt. Einziehen werden für uns: Petra Sitte, Jan Korte, Birke Bull-Bischoff und Matthias Höhn. Die beiden erstgenannten waren bereits in der vergangenen Legislatur Mitglieder des Bundestages. Mit Birke und Matthias kommen zwei erfahrene Landtagsparlamentarier in den Bundestag und verlassen damit die Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt. Dadurch rücken zwei Kandidaten im Landtag nach. Das sind Guido Henke aus der Börde und Katja Bahlmann aus dem Burgenlandkreis.

Es wird in den kommenden Wochen also ein Stühlerücken geben. Ich freue mich für Birke und Matthias, dass sie es nach Berlin geschafft haben, bin aber auch betrübt, dass zwei so erfahrene und etablierte Politiker die Landtagsfraktion verlassen. Unsere Landtagsfraktion muss sich nun in den kommenden Wochen und Monaten noch mal neu finden, Themengebiete und Zuständigleiten anders verteilen und Arbeitskreise neu besetzen.