18.04.2020 | Fachpolitik, Im Landtag
Im Juni 2019 erreichte mich ein anonymer Brief in dem das Berufungsverfahren für die Professur “Regierungslehre und Policyforschung” an der Universität Halle kritisiert wurde. Die anonyme Person nahm an, dass es sich um ein westdeutsches Netzwerk handele, das die Besetzung dominieren würde. Ich wurde gebeten, mich mit dem Thema zu beschäftigen und die so genannte “Hausberufung” mit einem westdeutschen Wunschkandidaten zu verhindern. Man begründete den Brief damit, dass ich mich mit dem Thema „Benachteiligung von Ostdeutschen auf Führungspositionen“ beschäftigt hatte. In der Tat hatte ich mich in der Kleinen Anfrage “Ostdeutsche in Führungspositionen der Landesverwaltung” aus dem Jahr 2018 bereits dem Thema Ost-West-Gefälle gewidmet.
Ich nehme solche Briefe, soweit sie mir seriös erscheinen, ernst. Immerhin hat jemand sich getraut, mich anzuschreiben und offenbar auch zu meiner Arbeit im Parlament recherchiert. Da ist es nur fair, wenn ich etwas zurückgebe. Ich versuchte daher, weitere Hintergrundinformationen zu der Berufung zu recherchieren. Das gestaltete sich allerdings schwieriger als gedacht. Der Nachteil bei anonymen Schreiben ist, dass man keine Nachfragen stellen kann. Das wäre hier durchaus hilfreich gewesen. Was ich allerdings erfuhr, war, dass die Informationen in dem Brief korrekt waren und es tatsächlich einige Diskussionen bei dem Berufungsverfahren gab.
Ein Blick ins Hochschulgesetz gab Aufschluss darüber, wie ein Berufungsverfahren laufen soll und wie nicht. Nebenher war auch die Novelle des Hochschulgesetzes im Gespräch und ich hörte, dass einige Regelungen deutlich aufgeweicht werden sollten, so das Berufungsverfahren weniger demokratisch und deutlich intransparenter verlaufen sollten.
Da ich mit meinen Recherchen bezüglich des Berufungsverfahrens nicht weiter kam, entschied ich mich für die letzte verbleibende Option: Ich sprach mit dem Wissenschaftsminister. Er sagte mir zu, sich zu melden, sobald der Fall bei ihm auf dem Tisch landen würde (Berufungsverfahren werden immer vom Wissenschaftsministerium begleitet).
Im Juli 2019 bekam ich dann eine Mail (diesmal mit Klarnamen) von jemanden, der über eine Kleine Anfrage von mir zum Thema “Beteiligungen von Hochschulen und An-Instituten” aus dem Juni 2018 gestoßen war und darum bat, weitere Lockerungen im Bereich von wirtschaftlichen Betätigungen und Berufungsverfahren zu verhindern. Wir schrieben einige Male hin und her und trafen uns dann.
Heraus kam, dass es offensichtlich auch an anderen Hochschulen diverse Probleme bei Berufungsverfahren und wirtschaftlichen Betätigungen gibt. Ich versprach, mir die Hochschulgesetznovelle und deren Auswirkungen mal genauer anzuschauen.
Nun bin ich allerdings Haushälterin und keine Hochschulpolitikerin, daher wollte ich Aktivitäten in dem Bereich auf ein Mindestmaß reduzieren. Wir haben einen hochschulpolitischen Sprecher, der sich in dem Bereich bestens auskennt und meiner Unterstützung nicht bedarf.
Auf der anderen Seite habe ich durch die Arbeit im Finanz- und im Rechnungsprüfungsausschuss immer wieder mit Themen im Hochschulbereich zu tun. Daher auch die diversen Kleinen Anfragen im Bereich Weiterbildungsstudiengänge, Nebentätigkeit von Professoren, Beteiligungen und An-Institute. An den Themen werde ich wahrscheinlich auch zukünftig nicht vorbeikommen, dort ist offenbar eine Menge im Argen. Wir sprachen also in der Fraktion miteinander und einigten uns darauf, dass ich weiter im Grenzbereich Finanzen/ Kontrolle/ Transparenz/ Hochschulen agieren werde, bestimmte Dinge aber sicherheitshalber mit dem Fachkollegen abspreche.
Bei der Einbringung des Gesetzes im September 2019 begann ich dann, Kritik und Fragen zu äußern. Da war der Minister noch ganz gelassen und freudig, das änderte sich allerdings im Laufe der Zeit und die Antworten in den letzten Debatten wurden immer ausweichender und genervter.
Hier die noch gut gelaunte Einbringungsrede des Ministers. Die Fragerunde startet ab Minute acht:
Im Bereich des im anonymen Brief genannten Berufungsverfahrens passierte lange Zeit nichts und ich nahm an, das Problem hätte sich erledigt. Am 29. Dezember 2019 wurde ich dann bei Twitter angeschrieben. Auf einem Account wurde etwas über ein Berufungsverfahren an der Uni Halle getwittert, bei dem ostdeutsche Kandidaten übergangen wurden. Nachdem ich die Twitter-Timeline durchgelesen hatte, war klar, dass es sich genau um den Fall handelte, den ich schon sechs Monate vorher per Brief auf dem Tisch hatte. Offenbar war der Prozess nun abgeschlossen und das Ministerium hatte sein Einverständnis gegeben.
Das rief natürlich die kritische (und nun etwas verärgerte) Opposition auf den Plan und ich fing an, bei Twitter die Namen derer zu recherchieren, die sich zu dem Fall geäußert hatten und nahm den Hörer in die Hand. Das führte im Ergebnis dazu, dass ich nun ein großes Netzwerk an Wissenschaftlern, Journalisten und Hochschulfachmenschen habe, dir mir umfangreiche Informationen zum Berufungsverfahren und zur Hochschulgesetznovelle zukommen lassen. Ich kniete mich beim Hochschulgesetz tief in die Materie und bin nach wie vor erstaunt, was dort alles verändert, gelockert und intransparenter gemacht werden soll.
Vieles von dem, was der Landesrechnungshof in früheren Prüfungen kritisiert hatte, soll nun legalisiert werden. Gemeinsam mit meinem Kollegen Hendrik Lange stellte ich daher die Kleine Anfrage “Regelungen zur Transparenz im neuen Hochschulgesetz“. Außerdem nahm ich an der Anhörung zum Gesetz teil und am 12. März an der Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Leider konnte ich nicht alle Fragen stellen, daher schickte ich die übrigen per Mail an das Wirtschaftsministerium und bekam in der vergangenen Woche eine Antwort.
In der Sitzung des Finanzausschusses am 15. April wurde das Gesetz, unter Teilnahme des Wissenschaftsministers und seiner Fachleute, behandelt und beschlossen. Mein Kollege Hendrik Lange und ich äußerten uns zu verschiedenen Themen sehr kritisch und stellten diverse offen gebliebene Fragen. Genützt hat es wohl nicht viel. Das Gesetz geht nun zurück an den Wirtschaftsausschuss, der sich am 23. April damit beschäftigt und dann wird es voraussichtlich in der Landtagssitzung am 7. Mai verabschiedet werden.
Die Arbeit, Recherche, die etlichen Mails und Telefonate, auch die Gespräche mit dem Minister und die vielen Fragen in den Ausschüssen und im Plenum haben letztendlich zu keiner Änderung des Gesetzes geführt. Die geplanten Regelungen werden trotzdem umgesetzt, die Hochschulleitungen bekommen mehr Macht, die wirtschaftlichen Aktivitäten der Hochschulen können nur noch sehr eingeschränkt durch den Landesrechnungshof geprüft werden, die demokratischen Gremien werden geschwächt und Professoren können sich legal nebenher eine goldene Nase verdienen und die Lehre an den Hochschulen vernachlässigen.
Wir haben das alles erkannt, öffentlich gemacht und kritisiert. Wenn es so beschlossen wird, werden wir weiter aktiv sein. Wir werden Kleine Anfragen stellen (eine ist schon raus, andere in Planung), werden genau hinschauen, werden den Menschen an den Hochschulen zuhören und uns intensiv mit den kommenden Prüfungen des Landesrechnungshofes beschäftigen.
Das Berufungsverfahren an der Uni Halle ist übrigens noch in der Schwebe. Einer der Bewerber hat eine Konkurrentenklage eingereicht.
16.04.2020 | Fachpolitik, Im Landtag
Gestern fand eine Sondersitzung des Finanzausschusses unter besonderen Bedingungen statt. Wir hatten Ende März verabredet, dass wir uns wegen der Krisensituation nun 14-tägig treffen und über dringende Dinge entscheiden. Vom Ältestenrat wurde allerdings vorgegeben, dass Ausschüsse nur nach vorheriger Erlaubnis der Präsidentin und unter Einhaltung besonderer Sicherheitsvorkehrungen tagen dürfen (z.B. Abstandsregelungen). Das führte übrigens dazu, dass der Finanzausschuss nach wie vor der einzige Ausschuss ist, der physisch tagt. Andere Ausschüsse kommen nur über Telefon- und Videokonferenzen zusammen.
Wie schon am 30. März tagten wir daher auch diesmal im Plenarsaal. Im Unterschied zur vergangenen Sitzung waren diesmal auch etliche Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Ministerien anwesend. Ich glaube, dass es für die Verwaltungsmitarbeiter das erste Mal im Plenarsaal war. Man sah hin und wieder erstaunte Blicke und Freude darüber, in diesen heiligen Hallen zu sein. Die Perspektive von da unten im Saal ist ganz anders als auf den Tribünen oder vom Livestream aus. Ich vergleiche das gern mit einem Zoo. Unten im Saal veranstalten wir Theater, oben können die Besucher zuschauen und füttern ist auch nicht erlaubt.

Ungewohnter Blick in den Plenarsaal. Diesmal waren KollegInnen aus den Ministerien zu Gast und beantworteten die vielen Fragen zu Corona-Maßnahmen und Nachtragshaushalt.
Auf der Tagesordnung standen neben diversen Punkten zur Corona-Pandemie auch der Haushaltsabschluss 2019, ungeplante und nachträgliche gewährte Ausgaben der Ministerien, Kredite der Universitätskliniken, zwei Vorlagen zur Polizeidirektion Nord in Magdeburg und das Hochschulgesetz.
Obwohl die Tagesordnung mir nur acht Themen für eine Finanzausschusssitzung recht schmal war, brauchten wir fünf Stunden, um alle Themen zu behandeln. Es wurde sehr kontrovers über den Nachtragshaushalt und die Corona-Maßnahmen diskutiert und viele Fragen gestellt. Auch beim Bereich der Soforthilfen gab es viele Unklarheiten und auch einige Kritikpunkte.
Gefragt haben wir beispielsweise, wo denn das zusätzliche Personal eingesetzt werden soll, das mit dem Nachtragshaushalt beschlossen wurde. Geplant wurden 100 Stellen mit einem Betrag von 1,5 Millionen. Wir nahmen an, dass vorher abgefragt wurde, wo Bedarf ist. Weit gefehlt! Es gibt keinen Plan und keine vorherige Abfrage. Erst jetzt werden die Landesbehörden nach ihren Bedarfen gefragt. Wenn man sich dann anschaut, dass im Jahr 2019 über 170 Millionen Euro Personalmittel nicht ausgegeben wurden, stellt sich schon die Frage, wie und wo man jetzt 100 Stellen besetzen will. Meine Vermutung: Die Stellen werden nur in geringem Maße gebraucht und das Geld in andere Bereiche umgeschichtet.
Im Bereich der Soforthilfen fragten wir, warum man im Vergleich zu Thüringen bei der Bewilligung von Anträgen so behäbig ist. Thüringen hatte bis zum 9. April 33.000 Anträge und 8.000 Bewilligungen. Sachsen-Anhalt am selben Tag 34.000 Anträge und 2.700 Bewilligungen. Das Wirtschaftsministerium sagt, man kann die Zahlen nicht vergleichen. Ich sage: Das wird immer gesagt, wenn man keine bessere Begründung hat.
Momentan sind über 200 Personen der Investitionsbank und der NORD/LB mit der Bearbeitung des Programms beschäftigt. Man will in ungefähr drei Wochen alle Anträge abgearbeitet haben. Schauen wir mal. Spannend ist auch, wie viel Geld die Investitionsbank für die Umsetzung des Programmes vom Land bekommt. Es gibt dafür einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Der Finanzminister konnte uns die Kosten gestern nicht nennen, aber wir bleiben dran. Ich glaube, es werden mehrere Millionen Euro sein.
Auch beim Hochschulgesetz hatten wir eine Menge zu sagen. Das Gesetz liegt seit Jahren im Parlament ist soll nun endlich verabschiedet werden. Dazu aber in einem späteren Beitrag mehr.
05.04.2020 | Fachpolitik, Im Landtag

Zu den Sichereitsmaßnahmen im Plenarsaal gehören abgeklebte Mikrofone
Nun ist der Nachtragshaushalt verabschiedet und kann umgesetzt werden. Das ging wirklich fix und ist schon außergewöhnlich. Ob das nun bereitgestellte Geld ausreichen wird, kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ich ahne aber, dass wir in den kommenden Monaten nachsteuern müssen.
In der Zwischenzeit hat das Parlament kaum Möglichkeiten, mitzureden bzw. Vorschläge für die Bewältigung der Krise einzureichen. Es gilt nach wie vor, dass Ausschusssitzungen nur in Ausnahmefällen und nur nach Erlaubnis der Landtagspräsidentin stattfinden dürfen. Manche Ausschüsse haben Video- oder Telefonkonferenzen vereinbart, andere Ausschüsse kommen gar nicht zusammen. Der Finanzausschuss ist bisher der einzige, der vor Ort im Landtag zusammen kam, um den Nachtragshaushalt nach der ersten Lesung zu debattieren. Wir haben auch schon einen nächsten Termin festgelegt, den 15. April. Auch diese Ausschusssitzung wird (auf Wunsch der Ausschussmitglieder) im Landtag stattfinden. Um den nötigen Sicherheitsabstand zu wahren, werden wir wieder im Plenarsaal tagen. Das ist zwar etwas ungewohnt, in der aktuellen Situation aber sinnvoll.
Die Landtagssitzung am 7. und 8. Mai wird höchstwahrscheinlich auch stattfinden. Vielleicht können sich die Fraktionen bis dahin auf einen Notfallplan für die Arbeit des Parlaments in Krisenzeiten einigen. Fraglich ist bisher u.a., was passiert, wenn ein Großteil der Abgeordneten erkrankt und somit nicht an Plenumssitzungen teilnehmen kann. Damit wäre das Parlament nicht mehr beschlussfähig und könnte keine Notmaßnahmen für das Land bechließen.

Etwas andere Sitzordnung des Finanzausschusses im Plenarsaal
Seit dem 1. April sind übrigens alle Ausschusssitzungen öffentlich, daher können nun auch interessierte Besucher teilnehmen. Wie das in der aktuellen Situation gewährlsietet werden soll, ist noch ungeklärt.
Bis dahin bleibt den Abgeordneten nur, sich so gut wie möglich zuhause zu informieren, an diversen Video- und Telefonkonferenzen teilzunehmen und Aktionen außerhalb des Parlaments durchzuführen. Wir sind das Arbeiten im Home-Office gewöhnt und nehmen eh ständig Arbeit mit nach Hause. Es ist aber schon etwas anderes, wenn das Kind (bzw. die Kinder) die ganze Zeit zuhause ist (sind). Da kann eine zweistündige Videokonferenz zu einem kleinen Abenteuer werden…
30.03.2020 | Fachpolitik, Im Landtag
Dass das Parlament trotz Corona handlungsfähig ist, wurde in der heutigen Landtagssitzung bewiesen. Die Debatte zum Nachtragshaushalt war zwar keine Sternstunde der Demokratie, hat aber gezeigt, dass wir auch in Krisenzeiten über wichtige Vorhaben des Landes fair und angemessen diskutieren können.
Mit dem Nachtragshaushalt will das Land 500 Millionen Euro zusätzlich in den Haushalt einstellen, um daraus u.a. Unternehmen zu helfen, KiTa-Beiträge zu zahlen und Lohnfortzahlungen zu gewährleisten.
Nun hat keiner von uns eben mal 500 Millionen Euro irgendwo herum zu liegen, daher bedarf es eines Finanzierungsplans. Der sieht wie folgt aus: 141 Millionen Euro sollen aus der Steuerschwankungsreserve genommen werden (quasi ein Sparschwein des Landes), 100 Millionen Euro kommen aus im Jahr 2020 nicht vorgenommenen Tilgungen alter Schulden und 259 Millionen Euro sollen über einen neuen Kredit beschafft werden.

Eine von wenigen Gelegenheiten, den Ministerpräsidenten persönlich zu befragen – befriedigende Antworten gab es leider nicht
Auch andere Bundesländer müssen wegen der Corona-Krise Kredite aufnehmen, diese Zahlen ihre Schulden aber innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren (Mecklenburg-Vorpommern, Berlin), 20 Jahren (Bund) oder sogar 50 Jahren (Nordrhein-Westfalen) ab. Je länger der Tilgungszeitraum, desto geringer die Abzahlsumme pro Jahr. Sachsen-Anhalt will nun die 259 Millionen innerhalb von drei Jahren zurückzahlen, also im ersten und zweiten Jahr jeweils 100 Millionen Euro und im dritten Jahr 59 Millionen.
Meine beiden Fragen an den Ministerpräsidenten gingen heute genau in diese Richtung: Warum der enge Tilgungsrahmen? Und darf das Land, das sich in Konsolidierung befindet, überhaupt einen so großen Kredit aufnehmen? Die Fragen wurden von ihm zwar nicht beantwortet, viele Worte fand er trotzdem. Das zeigt mir, dass man beim Tilgungszeitraum für die neu aufzunehmenden Schulden offenbar aus der Hüfte geschossen hat und er nicht genau weiß, wie das aktuell mit der Konsolidierung ist.
Gerade den Tilgungszeitraum finden wir kritisch, und zwar aus folgendem Grund: Das Land wird spätestens im Jahr 2022 große finanzielle Probleme von allen Seiten bekommen: Die Steuereinnahmen werden durch die Corona-Pandemie zurück gehen und gleichzeitig die Kosten für den Staat steigen, weil bspw. die Kenia-Koalition teils für die kommenden fünf Jahre neue und bleibende (oder auch steigende) Ausgaben geplant hat und weil durch die Corona-Pandemie zusätzliche Kosten im Gesundheits- und Sozialbereich entstehen. Wenn dort dann zusätzlich noch die Tilgung des neuen Kredits hinzukommt, ist der Gestaltungsspielraum in den nächsten Haushalten noch kleiner, oder schlimmer, es müssen freiwillige Leistungen des Staates gekürzt oder gestrichen werden.
Die sinkenden Einnahmen kann man kaum beeinflussen, wohl aber die steigenden Ausgaben und die Höhe der Schuldentilgung pro Jahr (z.B. nur 10 Millionen statt 100 Millionen Tilgung pro Jahr). Warum das Finanzministerium hier so agiert, konnte (oder wollte) mir der Minister im heutigen Finanzausschuss nicht sagen. Er verwies lediglich darauf, dass es aus seiner Sicht momentan wichtigere Dinge gibt, als Schuldentilgungen.
Wie sollen die 500 Millionen im Nachtragshaushalt nun aufgeteilt werden? Folgendes hat die Landesregierung vor:
150 Millionen Euro Wirtschaftsförderung
70 Millionen Euro Kommunen für Grundsicherung
60 Millionen Euro Lohnfortzahlungen
40 Millionen Euro Aufstockung Ausgleichsstock
25 Millionen Euro Krankenhausinvestitionen
20 Millionen Euro Bürgschaften
20 Millionen Euro Pandemiebekämpfung
15 Millionen Euro Erstattung Elternbeiträge KiTas
15 Millionen Euro Billigungsleistungen, Vereine, Verbände
1,5 Millionen Euro zusätzliches Personal
85 Millionen Euro “Puffer” für weitere Pandemie-Kosten
Übrigens komme ich bei der von der Landesregierung vorgelegten Liste auf Ausgaben in Höhe von 501,5 Millionen, aber das nur mal am Rande…
Der Finanzausschuss, der heute gleich im Anschluss an das Plenum tagte, hat alle Vorhaben der Koalition und Gesetzesinitiativen der Regierung beschlossen und wird seine Beschlussempfehlung am Donnerstag bei der zweiten Lesung des Nachtragshaushaltes abgeben. Meine Fraktion hat einem Großteil der Vorhaben zugestimmt, aber auch eine Reihe eigener Vorstellung zum Nachtragshaushalt eingebracht. Am Donnerstag wird abschließend über alle Vorhaben beschlossen.
Hier kann die heutige Debatte angeschaut werden. Meine beiden Fragen und die Antworten des Ministerpräsidenten sind ab Minute 15 seines Redebeitrages zu finden.
28.03.2020 | Fachpolitik, Im Landtag
Dass der Doppelhaushalt für die Jahre 2020 und 2021 in der beschlossenen Form nicht lange Bestand haben würde, war klar. Dass der Nachtragshaushalt nun aber so schnell eingebracht wird, hätte ich nicht gedacht. Schon übermorgen, am Montag, soll die erste Lesung im Plenum stattfinden. Am Donnerstag darauf dann die zweite Lesung mit Verabschiedung. Zwischendrin tagt der Finanzausschuss.
Wenn es so kommt, hat der Doppelhaushalt genau zwölf Tage lang gehalten. Und dafür haben wir drei Monate lang getagt. Das ist wirklich verrückt.

Am Montag wird trotz Corona im Plenarsaal getagt – auch Ausschüsse können zwecks Abstandsregelungen hierher verlegt werden
Da noch keiner weiß, wie sich die Corona-Pandemie entwickelt und welche finanziellen Auswirkungen sie haben wird, kann ich mir gut vorstellen, dass es noch einen weiteren Nachtragshaushalt geben wird.
Der aktuelle Nachtragshaushalt soll laut Regierungsentwurf einen Umfang von 500 Millionen Euro haben und vor allem Unternehmen (150 Millionen Euro) stützen, Bürgschaftsausfälle (20 Millionen) kompensieren und Lohnfortzahlungen für sechs Wochen (50-60 Millionen) beinhalten. Auch für die Ausrüstung von Polizei, Feuerwehren und Gesundheitsbehörden ist Geld eingeplant. Außerdem sollen Krankenhäuser finanzielle Unterstützung für Intensivbetten und Beatmungsgeräte erhalten. Finanziert werden soll der Nachtrag durch noch bestehende Rücklagen, eine Kreditaufnahme und Aussetzung von Tilgungen im Jahr 2020.
Spannend ist, dass wir genau diese Summe vor acht Tagen zur Verabschiedung des Doppelhaushaltes mit einem Entschließungsantrag beantragt hatten. Dabei ging es genau um die zu erwartenden zusätzlichen Kosten wegen der Corona-Pandemie. Am 20. März hatte das Parlament unseren Antrag abgelehnt, nun wird ein Vorschlag der Regierung in gleicher Höhe vorgelegt, der sicher ohne große Änderungen verabschiedet wird.
Anders als bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts soll nun tatsächlich im Plenum geredet werden. Jede Fraktion hat 15 Minuten Redezeit, um über den Nachtragshaushalt und die mit ihm zusammenhängenden Gesetzesentwürfe zu sprechen. Meine Fraktion hatte einen Antrag zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes gestellt, um aktuell und zukünftig zu regeln, dass Eltern bei staatlich angeordneten Schließungen von Einrichtungen keine Beiträge zahlen müssen und der Einnahmeausfall der Träger durch das Land kompensiert wird.
Außerdem wollen wir das Gesetz zu Volksbegehren und Volksbescheiden ändern. Im Fall einer Pandemie oder anderer unvorhersehbarer und unabwendbarer Ereignisse während der Eintragungsfrist für ein Volksbegehren werden die realen Möglichkeiten für die Durchführung eingeschränkt. Daher beantragen wir eine gesetzliche Regelung, um die Eintragungsfrist für ein Volksbegehren zu verlängern. Hintergrund ist, dass noch bis zum 7. Juli das Volksbegehren “Den Mangel beenden” läuft. Wenn die Menschen aber nicht nach draußen dürfen, wird auch niemand Unterschriften leisten können.
Auch die Koalition beantragt Gesetzesänderungen wegen der Corona-Pandemie, darunter das Gesetz zur Verschiebung der Personalratswahlen 2020. Aufgrund der Corona-Krise sollen die Personalratswahlen im Jahr 2020 verschoben werden, weil Vorbereitung und die Durchführung der Wahlen derzeit nicht möglich sind.
Verabredet wurde, dass die Fraktionsvorsitzenden zum Nachtragshaushalt und zu allen Gesetzesänderungen je 15 Minuten reden. Das sind eine Menge Themen für so wenig Zeit. Aber vielleicht gibt es ja Nachfragen und wir können doch noch richtig debattieren. Ich habe jedenfalls schon einige Nachfragen für den Finanzminister vorbereitet. Am Donnerstag wird es dann eine kurze Sitzung, da dort dann nur noch abgestimmt werden soll.
Bild: Olaf Kosinsky (kosinsky.eu)
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23.03.2020 | Fachpolitik, Im Landtag
Die Haushaltsverhandlungen hatten im Dezember ruhig und strukturiert begonnen, nun sind sie mit einer Vollbremsung geendet. Aber von vorn: Ja, der Haushalt kam viel zu spät, das kann man nicht oft genug sagen. Es war die späteste Haushaltseinbringung seit dem Jahr 1992. Dem Parlament war es unmöglich, den Haushalt noch vor Beginn des Jahres 2020 zu verabschieden.
Wir gingen im Januar also zügig ans Werk, tagten mehrfach pro Woche, nahmen an Fachausschusssitzungen teil, machten uns Gedanken, planten Alternativvorschläge, suchten Geld für unsere Ideen, hinterfragten die Einzelpläne der Ministerien, lasen uns durch über 1000 Seiten plus Vorlagen, Antworten und Kleinen Anfragen. Wir diskutierten mit den Ministerinnen und Ministern, befragten die Haushaltsbeauftragten, kritisierten die Koalition.
Und wir kamen mit neuen und nötigen Vorschlägen: Eine Anhörung der Kommunalen Spitzenverbände (Städte- und Gemeindebund und Landkreistag), wie es sonst bei allen Gesetzesvorhaben gemacht wird, die die kommunale Ebene berührt. Das ist in der Geschäftsordnung des Landtages festgelegt, wurde bei der Erarbeitung des Haushaltsgesetzes bisher aber nicht praktiziert. Das haben wir geändert und die Spitzenverbände angehört.

Alle Einzelpläne mit Notizen, Klebezetteln und Änderungsanträgen nach der Bereinigungssitzung
Wir forderten außerdem, dass es mehr Geld für Schutzanzüge in Gesundheitsämtern geben soll. Wir forderten eine Erhöhung des Postens um 10.000 Euro für 2020 und 2021. Das war, bevor uns Corona erreichte.
Wie dringend und sinnvoll diese Forderung war, stellte sich erst in den letzten Tagen der Haushaltsverhandlungen heraus. Die Koalition schaffte in der Bereinigungssitzung neue Titel zur Corona-Vorsorge und hat 4 Millionen Euro für Schutzanzüge, Atemmasken und weitere Materialien zum Schutz eingeplant. Da soll mal jemand sagen, die Opposition fordet immer mehr Geld. Mit unseren 10.000 Euro kamen wir ja mehr als bescheiden daher.
Viele andere gute Vorschläge, die wir gemacht haben, wurden von der Koalition gar nicht erst debattiert. Weder im Bereich der Krankenhäuser, noch bei den Schulsozialarbeitern, bei Lehrern, bei den Straßenausbaubeiträgen oder beim Azubiticket.
In den vergangenen beiden Haushaltsverhandlungen hatte uns die Koalition vorgeworfen, dass wir unsere Änderungsanträge zu spät, nämlich erst zur Bereinigungssitzung brachten und sie damit kaum noch diskutiert werden konnten. Diese Kritik haben wir ernst genommen und unsere Vorschläge nun bei den jeweiligen Einzelplänen angebracht. Und was macht die Koalition? Bringt alle ihre relevanten Änderungen für die oben beschrieben großen Knackpunkte erst in der Bereinigungssitzung. Damit hatten diesmal wir keine Chance mehr, uns zu den Vorschlägen im Bereich der Krankenhäuser, der Lehrer etc. zu verhalten, uns mit Fachpolitikern abzustimmen oder uns weitere Informationen zu besorgen.
Nachdem uns die Corona-Welle eingeholt hatte, musste dann alles sehr schnell gehen: Eine vorgezogene Landtagssitzung nur zur Verabschiedung des Haushalts wurde für den 20. März geplant. Clou dabei: Die wichtige und sonst stundenlange Haushaltsdebatte sollte komplett ohne Reden auskommen. Das Königsrecht des Landtages wurde auf reines Händeheben beschränkt. Der Koalition war es wohl recht. Mich ließ dieses Vorgehen sprach- und trostlos zurück.
All die Monate an Arbeit, die wir in diesen Haushalt gesteckt hatten, die langen Sitzungen, die manchmal sehr kurzen Nächte, die vielen Vor- und Nachbereitungen waren komplett umsonst. Nicht mal das Rederecht wurde uns gelassen. Die Demokratie in diesem Land hatte schon bessere Tage. Viel bessere.